Zurück Entscheidung des Bundespatentgerichts - JURAWERK

Am 07.04.2011 hat der 30. Senat des Bundespatentgerichts (BPatG) – Vorsitzender Richter Prof. Dr. Hacker – auf die mündliche Verhandlung entschieden, dass die Zurückweisungsbeschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) aufgehoben werden, die Marke JURAWERK also auch im Deutschen Markenregister einzutragen ist [Az. 30 W (pat) 23/10].

 

 

 

Das DPMA hatte die Markenanmeldung JURAWERK für die Dienstleistungen Unternehmensberatung, Einziehung von Außenständen (Inkasso), Rechtsberatung und –vertretung, juristische Dienstleistungen wegen vermeintlich fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

 

Hiergegen haben wir Beschwerde eingelegt und insbesondere ausgeführt, dass JURAWERK einen unmittelbaren Herkunftshinweis auf unsere Kanzlei darstellt und es sich bei dem Zeichen JURAWERK um eine Wortneuschöpfung handelt, die, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Kennzeichnungsgewohnheiten des Anwaltssektors, Kennzeichnungskraft genießt.

 

Dem ist das BPatG in seiner nun ergangenen Entscheidungsbegründung gefolgt. In dieser wurde zunächst allgemein die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG definiert:

 

„Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 – BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 – FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 – City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 – EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 – STREETBALL).“

 

Weiterhin wird, unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des BGH, ausgeführt, in welchen Fällen Marken wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen sind.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 – Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch) oder wenn es sich um beschreibende Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 100 Rn. 23 – TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 – STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 – Bonus).“

 

Das BPatG stellt hier den anzulegenden Maßstab nochmals heraus:

 

„Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringer Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 – Libertel-Orange; a. a. O. – Postkantoor).“

 

Sodann wird ausgeführt, dass unser Zeichen JURAWERK über die erforderliche Unterscheidungskraft verfügt. Zwar handele es sich zweifelsohne bei beiden Zeichenbestandteilen „Jura“ und „Werk“ jeweils um Elemente, denen ein beschreibender Sinngehalt innewohnt:

 

„Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr ob den durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 99) – Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 40) – BIOMILD; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 120). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlager sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH; BPatG GRUR 1997, 639, 640 – FERROBRAUSE; BPatG 32 W (pat) 50/05 – linguadict, 24 W (pat) 124/06 – derma fit, 24 W (pat) 95/07 – Heliocare, jeweils auf der Internetseite des Gerichts). Dies ist vorliegend zu bejahen.“

 

Dies wird mit der nachfolgenden Erwägung begründet:

 

„Durch die ungewöhnliche Verbindung des Wortes ‚Jura‘ mit dem Wort ‚Werk‘ entsteht eine neuartige Wortkombination, die aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres individualisierend wirkt.“

 

Im Weiteren wird dezidiert ausgeführt, weswegen der angemeldeten Bezeichnung ein ungewöhnlicher sprachlicher Gesamteindruck innewohnt.

 

„Da ‚Jura‘ die Rechtswissenschaft als Studienfach bezeichnet, sind entsprechende Zusammensetzungen üblich wie z. B. ‚Jurastudium, Juraausbildung, Juraprofessur‘. In diesem Zusammenhang ist die Verbindung ‚Jurawerk‘ ungewöhnlich und ohne Aussagegehalt, da eine Bedeutung ‚Rechtswissenschaftswerk‘ – entsprechend der oben genannten Bedeutungen des Wortes ‚Werk‘ in Kombination mit anderen Substantiven – weder als ‚Gesamtheit der Rechtswissenschaft‘ noch als ‚umfangreiches Rechtswissenschaftswerk‘ einen Sinn ergibt, soweit es um die vorliegend allein beanspruchten Dienstleistungen geht (anderes könnte etwa im Bereich der Warenklasse 16 gelten). Auch für ein Verständnis im Sinne eines ‚juristischen Unternehmens‘ ergeben sich nach Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte. Es ist fernliegend, dass der Verkehr hierfür das Wort ‚Jura‘, das die Studienrichtung Rechtswissenschaft bezeichnet, kombiniert. Nach den Feststellungen des Senats ist es zum einen nicht üblich, eine Rechtsdienstleistung mit dem Wort ‚Jura‘ zu bezeichnen, zum anderen wird in möglichen vergleichbaren Zusammensetzungen mit dem Bestandteil „Werk“ entweder die Bezeichnung eines Produkts oder die eines Anbieters zur Konkretisierung des Werks vorangestellt. Daher lag auch den von der Markenstelle herangezogenen Kombinationen mit dem Bestandteil ‚Werk‘ eine abweichende Wortbildung zugrunde. Es ist daher davon auszugehen, dass der ungewöhnliche sprachliche Gesamteindruck der angemeldeten Bezeichnung hinreichende Unterscheidungskraft verleiht.“

 

Abschließend wird festgehalten, dass im Hinblick auf die fantasievolle Wortbildung der angemeldeten Marke, ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge, auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist.

Hier können Sie die Entscheidung im Volltext aufrufen.

Aktuelle Artikel

Wir suchen eine/n Rechtsanwaltsfachangestellte/n in Voll-/Teilzeit (m/w/d)

23.03.2021

Die Kanzlei jurawerk Rechtsanwälte Eisele & Wille PartG ist eine der führenden Kanzleien...

Open Source Management

15.01.2015

In unserer täglichen Praxis erleben wir ständig, dass IT-Firmen den erheblichen...

Abmahnungsrisiko bei eBay

15.01.2015

Still und leise hat eBay Ende vergangenen Jahres nun für jedermann eine Warenkorbfunktion...